Wie hat sich denn die Idee entwickelt, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen und das auch noch auf einem recht neuen Feld?
Es war im Grunde ein längerer Prozess. Nach der Geburt von Theo war ich in Elternzeit. Nach meiner Rückkehr ins Arbeitsleben habe ich gemerkt, dass ich meine bisherige Tätigkeit im Bereich Betriebswirtschaft so nicht mehr machen wollte. Dann habe begonnen nachzudenken, was ich denn machen könnte. Ein leerstehendes Ladenlokal hat mich zum Nachdenken angeregt, und bei mir den Gedanken „Hey, was könnte man damit machen” ausgelöst. Es war dann wie ein Geistesblitz, dass mir die Idee zu einem Unverpacktladen kam. Die Immobilie war dann zwar weg, aber die Idee war geboren. Jetzt hieß es einen, Businessplan zu schreiben und immer konkreter zu werden. Es gab für mich viele neue Themen zu bewältigen, wie die Selbstständigkeit und den Bereich der Lebensmittel. Der Einzelhandel war mir wohl bekannt, da ich in dem Bereich eine Ausbildung absolviert habe. Es gab vieles zu bewältigen aber es ist auch sehr reizvoll, einer selbstbestimmten Arbeit nachzugehen, mit der Verantwortung, die da dranhängt. Das alles empfinde ich als absolut spannend und herausfordernd.
Wie erleben Sie denn ihre Mülheimer Kundschaft? Zeigt diese sich eher neugierig oder eher motiviert durch ihr Umweltbewusstsein?
Die Mülheimer Kundschaft empfinde ich als sehr aufgeschlossen, aber auch kritisch. Viele sind erstmal gekommen um zu schauen und haben nachgefragt, wie das so funktioniert, wie das aussieht mit dem Mehrwert und wie das so geht mit dem Einkauf. Mittlerweile sind aber viele von denen begeistert und Stammkunden. Neugierde spielt eine große Rolle, und das führt auch dazu, dass sich der Blick für das eigene Zuhause verändert, in dem Sinne, was kann ich vielleicht bei mir umstellen. Wo kann ich zum Beispiel Müll, Plastik und Verpackung sparen. Nachhaltiger Konsum wird dann zunehmend in den Blick genommen. Neugierde und Motivation, beides spielt eine große Rolle.
Wie sieht denn so Ihr Familienalltag aus? Gibt es da eine klare Aufgabenverteilung?
Wir haben gemerkt, dass es die klassische Aufgabenverteilung bei uns so erstmal nicht gibt.
Unser Tag ist da eher in Abschnitte aufgeteilt. So ist das Fertigmachen am Morgen, Frühstück und der Weg zur Kita eher meine Sache und Barbara gestaltet dann den Tag eher mit Fred, während ich dann im Laden bin. Dann holt Barbara mit Fred Theo von der Kita ab, und wir machen was am Nachmittag. Nach Ladenschluss geht es dann nach Hause und verbringen noch etwas Zeit gemeinsam mit den Kindern. Dann geht es für die Kinder langsam ab ins Bett. (Anm.d.R.: Einwurf von Barbara) Es ist ja schon spät, bis Maik nach Hause kommt, denn er schließt ja in der Regel den Laden um 19:00 Uhr. Ich sehe dann zu, dass die Kinder schon bettfertig sind und wir es uns dann noch etwas gemütlich machen können. Ach ja, ganz wichtig ist auch noch, dass ich mit den Kindern nach der Kita häufig noch im Laden vorbeischaue. Da gibt es dann noch einen kleinen Snack und Kaffee für die Großen. Dann können wir uns als Familie über den Tag austauschen, was andere Familien eher am Abend machen. Bei uns bleibt abends dann eher noch die gute Nachtgeschichte.
Frau Rösner, geht es auch nach Ladenschluss zuhause noch um das Thema des Ladens, oder stehen da eher die anderen Themen des Alltags im Vordergrund?
Die Frage beantwortet sich eher aus der vorherigen Frage. Die Zeit Abends gehört zunächst einmal den Kindern. Wenn die im Bett sind, stehen schon noch Themen aus dem Laden und auch aus dem privaten Bereich an. So geht es zum Beispiel um das Sortiment, wie jetzt auch für die Vor-Weihnachtszeit.
Wenn sie eine solchen Laden betreiben, wie wirkt sich das denn auf den Blick auf andere Umweltthemen aus?
Da war die Reihenfolge eher anders herum. Spätestens mit der Geburt unserer Kinder gewann das Thema Umwelt Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung. Die Idee mit dem Laden kam dann auch daher und nicht umgekehrt.
Lassen Sie uns ein Stück an der Motivation Ihrer Kundschaft teilhaben, bei Ihnen einzukaufen?
Das ist sicher ein bunter Strauß an Motivation, es gibt nicht das eine Motiv. Jeder, der zu uns einkaufen kommt, hat eine andere Idee, warum er unverpackt einkauft, beziehungsweise nachhaltig konsumieren möchte. Neben der Nachhaltigkeit geht es dann auch darum, dass bei uns in kleinen Gebinden einkaufen kann, was beispielsweise für Singlehaushalte ganz praktisch ist. Da ist es dann auch einfacher, mal etwas auszuprobieren. Es erhöht auch die Vielfalt dessen, was unsere Kunden dann genießen können. Im Allgemeinen spielt natürlich eine wichtige Rolle,
Plastikmüll zu vermeiden. Das ist sicher ein wichtiger Pfeiler von Nachhaltigkeit für unsere Kunden. Es geht dabei nicht um Perfektionismus, sondern es ist wichtig, die ersten Schritte zur Nachhaltigkeit zu machen und umzulernen, von alten Gewohnheiten loszukommen. Dabei geht es ja nicht nur um Lebensmittel, sondern in der Kosmetik und den Alltagsdingen im Badezimmer gibt es da auch ein breites Feld.
Gibt es schon Expansionspläne?
(Anm.d.R.: Barbara lacht) Nein, es ist zunächst wichtig, den Laden zu etablieren. Der Laden und die Familie hält uns schon echt in Atem. Daher gibt es da keine Pläne.
Sie sprechen in Bezug auf den Laden häufiger von ”meinem Projekt”. Nun sind Projekte nach klassischer Definition zeitlich abgegrenzt. Trifft das auch für den Laden zu?
Nein, in diesem Sinn ist der Laden kein Projekt. Wir werden häufig gefragt, was denn ist, wenn die großen Läden auf den Zug aufzuspringen. Wir würden das als großen Erfolg sehen, von den Müllbergen etwas wegzukommen. Möglicherweise würden wir dann etwas anderes machen. Aber, bis dahin ist sicher noch ein weiter Weg. Bei den Biomärkten ist das ja auch so. Neben den Bioabteilungen in den großen Märkten haben auch die kleinen Bioläden noch ihre Existenzberechtigung.
Wünschen Sie mehrere Unverpacktläden auf der Schäl Sick oder wäre das eher unerwünschte Konkurrenz?
Wenn auf der Schäl Sick mehr Läden dieser Art entstehen würden, würde ich das sehr begrüßen.
Hier herrscht kein Konkurrenzdenken, sondern wir als Anbieter ziehen eher am selben Strang – es geht uns halt um die Sache.
Schauen wir einmal gut 20 Jahre weiter. Wird dann Ihr Sohn Theo in das Geschäft einsteigen?
Keine Ahnung was in 20 Jahren ist. Die Kinder werden dann hoffentlich ihre Zukunft selbst gestalten. Wir wollen ihnen aber das Bewusstsein mitgeben, sich den Blick für die Umwelt und unseren Planeten zu entwickeln und zu erhalten. Dadurch, dass die Kinder ein Stück in dem Laden aufwachsen, ist es spannend zu beobachten, wie sie das Thema jetzt schon ein Stück weit aufnehmen.
Liebe Familie Rösner, vielen Dank für das Gespräch, für das Sie sich die Zeit trotz ihres ausgefüllten Alltags genommen haben. Alles Gute für Ihre Familie und Ihr Geschäft.
Dieses Interview führte Reinhard Linke