In diesem Magazin geht es ja um Gemeinschaft in verschiedenen Schattierungen, und diese Gemeinschaft findet natürlich auch auf der Seniorenseite ihren Niederschlag.
Dieses Thema kommt leider nicht ohne sehr traurige Beiklänge aus. Denken wir an die Isolationsmaßnahmen und Besuchsverbote in Heimen und Krankenhäusern während der Coronazeit, denken wir an die Bilder von Senioren, die traurig aus dem Fenster zu ihren Lieben schauen mussten, denken wir an die alten Menschen, die in Kliniken allein sterben mussten, obwohl ihre Angehörigen so gern bei ihnen gewesen wären. Eine Mitarbeiterin eines Seniorenheims sagte seinerzeit sinngemäß zu mir: „Meine Bewohner sagen mir, dass sie lieber nach einem Besuch erkranken würden, als einsam und isoliert zu sein.“ Das deckt sich mit dem, was ich selbst hörte, als Seelsorge wieder erlaubt war, ich fasse es etwas pointiert zusammen: „Lieber im Kreis der Familie sterben als einsam zu vegetieren.“
Wir können nicht ändern, was gewesen ist, aber wir können lernen, und eine wichtige Lektion ist sicherlich, dass gerade ältere Menschen nicht allein gelassen werden dürfen. Die Zeit der Isolation ist vorüber, und doch höre ich bei Trauergesprächen immer mal wieder sinngemäß den Satz: ‚Die letzten Jahre war sie allein, ihre Freundinnen sind schon verstorben oder konnten sie nicht mehr besuchen.‘ Dieser Satz berührt mich, da sind Menschen, die aktiv im Leben gestanden haben, gefeiert und gelacht haben und dann zunehmend vereinsamt sind, bis hin zu Menschen, die erst Wochen oder Monate nach ihrem Tod in der Wohnung gefunden worden sind.
Es wäre leicht, es wäre zu leicht, nun auf gesellschaftliche Zustände hinzuweisen oder die zunehmende Kälte in unserem Land zu kritisieren, aber das greift zu kurz. Wir würden dann die vielen positiven Beispiele vergessen, die es auch gibt! Nachbarn, die die sich zuverlässig um alte Menschen kümmern, ein Auge darauf haben, ob morgens das Licht im Fenster leuchtet und die nachschauen gehen, wenn es nicht so ist. Menschen, die vor dem eigenen Einkauf schnell noch beim Nachbarn vorbeigehen und fragen, ob er etwas braucht. Menschen, die ihre Nachbarn zum Sonntagskaffee einladen oder Weihnachten gemeinsam feiern. Nach meiner Erfahrung verstehen diese Menschen mit helfenden Händen sich nicht als Ehrenamtler, sondern einfach als Menschen, die etwas tun, was sie für selbstverständlich halten. Menschen, die niemals mit einem Bundesverdienstkreuz geehrt werden und es so viel mehr verdient hätten, als manch anderer.
Die beste Art, diese Menschen zu ehren, ist vermutlich, es ihnen gleichzutun. Was hindert uns daran, die alte Nachbarin gelegentlich mal zu besuchen oder einzuladen? Wenn sie dann aus ihrem Leben erzählt, ist das besser als jeder Geschichtsunterricht. Fragen Sie mal alte Menschen, mit welchen Rezepten, Tricks und Finessen sie durch die schwere Zeit gekommen sind, da können wir auch für unsere Zeit viel lernen. Wenn Sie jemanden treffen, der den Krieg bewusst miterlebt hat und bereit ist, davon zu erzählen, dann stehen Ihnen intensive Stunden bevor, in deren Verlauf auch mal ein starkes geistliches Getränk nötig sein kann.
Ja, es gibt auch Senioren, die schwer zu ertragen sind, aber das sind Ausnahmen. Unsere älteren Menschen sind ein Schatz, der leicht zu entdecken ist. Ein freundliches Lächeln, ein Gespräch zwischen Tür und Angel und schon wächst eine Bekanntschaft, die zur Freundschaft wird und auf die alle nicht verzichten möchten. Fassen wir uns ein Herz, es lohnt sich!
Text: Thomas Lüersmann
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