Pfarrnachrichten
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Senioren und Horizonte – bei diesem Thema hatte ich einerseits sofort Bilder von älteren Menschen, die bei einer Kreuzfahrt den Sonnenuntergang genießen vor Augen, andererseits aber auch manches Elend und Leid, dem ich begegne. Ist die Rente bzw. der Ruhestand die Erfüllung und Belohnung eines arbeitsreichen Lebens, wie so manche Werbung verkündet, oder beginnt die Zeit des Rollators, der Vorlagen und des Voltarens? Wahrscheinlich beides, aber da muss doch mehr sein, mehr als Kreuzfahrt und Gehhilfe, mehr als lange Spaziergänge und Medikamente!

Wenn wir weit in der Zeit zurückreisen, dann finden wir das Gebot: „Ehre deinen Vater und deine Mutter, wie es dir der Herr, dein Gott, zur Pflicht gemacht hat, damit du lange lebst und es dir gut geht in dem Land, das der Herr, dein Gott, dir gibt.“ (Dtn 5, 16) Hier ist die „Rente“ gemeint, wenn die Eltern nicht mehr arbeiten können, müssen die Söhne für sie sorgen. Die Söhne waren sozusagen die Rentenversicherung des Altertums (wie es ja in manchen Gesellschaften bis heute der Fall ist). Die Töchter waren wegen eines anderen Rollenverständnisses nicht durch dieses Gebot verpflichtet, natürlich war ihre Unterstützung auch willkommen. Der Horizont der alten Menschen war also in vielen Fällen der Platz im Haus und am Tisch bei der Familie. Daran änderte sich – von Ausnahmen abgesehen – in fast dreitausend Jahren nicht viel, bis dann 1889 in Deutschland unter Reichskanzler Otto von Bismarck das „Gesetz betreffend die Invaliditäts- und Altersversicherung“ in Kraft gesetzt wurde.

Nach 30 Beitragsjahren und im Alter von 70 Jahren bekam man eine bescheidene Rente, die eher einen Zuschuss zum Lebensunterhalt darstellte, aber ein Anfang war gemacht. Damit eröffneten sich immerhin kleine Horizonte, die über das Sitzen auf der sprichwörtlichen Ofenbank hinausgingen. Heute wird der Ruhestand von vielen Menschen sehnlichst erwartet. Nicht mehr früh aufstehen müssen (und dann wegen der langen Gewohnheit doch früh aufwachen), den Tag endlich frei einteilen zu können (und dann wird es doch der Unruhestand) und Zeit für die eigenen Interessen zu haben, und hier können sich dann tatsächlich Horizonte öffnen. Es muss ja nicht gleich die Kandidatur für den Stadtrat sein (obwohl, warum eigentlich nicht?) oder ein Marathonlauf (vielleicht doch?).

Die Suche nach neuen Horizonten scheint mir eine wichtige und vielleicht auch manchmal schwierige Aufgabe zu sein. Die bestimmende Frage das Berufslebens lautet ja oft: Was muss ich tun? Und nun stellt sich die Frage: Was möchte ich tun? Ich möchte aber auch nicht verschweigen, dass es bedrückende und düstere Horizonte gibt. Die Aussicht auf ein langes, schmerzhaftes Leiden, die Aussicht auf Einsamkeit und Verlassenheit, die Aussicht auf ein schlimmes Sterben. Hier liegt die Gefahr der Verzweiflung nahe, die Gefahr der Hoffnungslosigkeit und des Aufgebens. Wenn ich die Diskussion um die Sterbehilfe richtig verfolge, dann scheinen sich immer mehr Menschen für das sogenannte „Selbstbestimmte Sterben“ auszusprechen, und wahrscheinlich haben sie dabei die oben genannten düsteren Horizonte vor Augen.

Die katholische Kirche lehnt dieses selbstbestimmte Sterben ab, ich persönlich weigere mich, über Menschen zu urteilen, die in Extremsituationen den Tod wählen. In meiner Eigenschaft als Priester und Seelsorger sind mir – oft unter Tränen - Schicksale erzählt worden, bei denen sogar mir die Augen feucht wurden, und das hat mich bei Urteilen sehr vorsichtig gemacht. Sie sehen, Horizonte können sehr vielfältig und individuell sein, und es wäre bösartig zu unterstellen, dass alte Menschen nur noch den Tod als Perspektive haben. Im Gegenteil: Es ist wichtig, dass Senioren die Möglichkeit haben, ihren Horizont zu erweitern, da dies dazu beitragen kann, geistig und emotional aktiv zu bleiben. Neue Erfahrungen können auch dazu beitragen, das Selbstbewusstsein zu stärken und das Gefühl der Zufriedenheit im Leben zu steigern. Es gibt viele Möglichkeiten für Senioren, ihren Horizont zu erweitern, sei es durch die Teilnahme an Bildungsprogrammen, den Besuch von Museen und kulturellen Veranstaltungen oder das Engagement in ehrenamtlicher Arbeit.

Es ist nie zu spät, neue Dinge zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Dazu gehört dann aber auch der Mut, sich auf Neues einzulassen und Gelegenheiten beim Schopf zu packen. Lassen Sie uns zum Schluss gemeinsam einen Blick auf die religiöse Dimension des Themas werfen. Ein hohes Alter galt in den Anfängen als besondere Auszeichnung Gottes, die frühen Gestalten des Alten Testaments lebten nach der Überlieferung viele hundert Jahre. Vielleicht wäre es eine gute Idee, eine Art „Sakrament des Ruhestandes“ einzuführen, ein Zeichen, dass Gott auch in dieser Lebenswende sehr präsent ist und uns Menschen natürlich auch im Alter und darüber hinaus begleitet.

Text: Pater Thomas Lüersmann SDB

Foto: koldunova/KI/stock.adobe.com

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