Mülheimer Gottestracht
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Die Kritik am Zustand der katholischen Kirche verstummt – Gott sei Dank! – nicht. 
Da können Veränderungsgegner, wie Kardinal Woelki, noch so hartnäckig am Althergebrachten festhalten und mit allerlei theologischen Winkelzügen versuchen, es zur unveränderlichen und einzig möglichen Wahrheit zu erklären.
 
Beim „synodalen Weg“ haben renommierte TheologInnen ihre Stimme in die interessierte Öffentlichkeit bringen können. So wurde deutlich, dass es eine größere theologische Vielfalt gibt und sich diese genauso gut begründen lässt. Auch wenn in den Abschlusstexten nur wenig davon wiederzufinden ist - weil die Bischöfe kraft ihres Amtes weiterhin die Herren der Lehre sind – so sind die Texte und Gedanken doch gegenwärtig und finden offene Ohren und erleichterte Herzen, wie meines.
 
Es ist bittere Ironie, dass die Botschaft des Wanderpredigers Jesus, der die allumfassende und gleichmachende Liebe Gottes predigte, der Frauen genauso einbezog wie Männer, der Macht ablehnte und immer wieder die Finger in strukturelle Wunden legte, heute von Reformgegnern als Begründung für die Verfasstheit der Kirche genutzt wird.
 
Doch ich fühle mich nicht der Institution verpflichtet – die auch ihre guten Seiten hat – sondern der „Gemeinschaft der Glaubenden“. Konkret der Gemeinde vor Ort.
 
Jesus ist auf die Menschen zugegangen und hat sie eingeladen, mit ihm zu gehen. Er wusste, wir Menschen brauchen Gemeinschaft – das Zusammensein mit anderen. Später hat er seine Jünger ausgesendet, damit sie seine Botschaft weitertragen. Denn er wusste, dass wir als „soziale Wesen“ voneinander und miteinander lernen. Der erste Funke zum Glauben wird durch Menschen weitergegeben. Für mich ist es keine Alternative, allein zu glauben. Mein Glaube lebt durch und mit der Gemeinde vor Ort.
 
Begonnen hat mein Engagement vor mehr als 10 Jahren damit, dass ich meinen Söhnen die Chance bieten wollte, in kindgerechter Weise mit biblischen Geschichten und Liedern in Kontakt zu kommen. Ich suchte in unserem Umfeld nach Gleichgesinnten und fand sie.
 
Mit Erstaunen stellte ich fest, wie groß meine Freude bei der Vorbereitung war. Die kindgerechte Gestaltung erfüllte mich und war immer wieder ein inniger Moment der Auseinandersetzung mit meinem eigenen Glauben und den Botschaften, die mir wichtig sind.
 
So fasste ich Fuß in der mir fremden Gemeinde und stellte fest, dass es mir eine große Freude ist, mit anderen zusammen Projekte umzusetzen.
 
Eine lebendige Gemeinde, die Neues zulässt, ermöglicht es Menschen, ein Zuhause zu finden und dieses zu gestalten. Gerade Familien mit Kindern sind immer wieder auf der Suche und kommen vorbei, lassen sich ansprechen und bleiben oder gehen wieder. Dies funktioniert leichter, wenn es Ansprechpartner vor Ort gibt, denn dort kennt man sich.
 
Gemeinde gibt mir die Möglichkeit zu wählen, wo ich mich einbringen oder teilhaben möchte. Dies bedeutet auch ständige Kommunikation mit anderen. Mal im kreativen Austausch und tatkräftigen Nutzen der verschiedenen Begabungen, mal in der Diskussion und im Streit. Positive Energie ist nötig, um etwas auf die Beine zu stellen. Umso stärker die Freude, wenn ein Projekt gelingt.
 
In liturgischen Angeboten habe ich Raum, mich im Beisein von anderen in den Austausch mit Gott zu bewegen. Wie tröstlich und wohltuend das ist, habe ich erfahren, als nach dem ersten Lockdown die Kirchen wieder öffneten und wir Menschen wieder zusammenkommen konnten.
 
Jesus hat ja den Grundstein für das Zusammenkommen gelegt, indem er beim Abendmahl seinen FreundInnen auftrug: „Tut dies zu meinem Gedächtnis. Setzt euch zusammen, brecht das Brot und teilt Brot und Wein miteinander und denkt dabei an mich – an das, was ich euch gelehrt habe und welche Gegenwart und Zukunft ich euch anbiete”.
 
Wie ursprünglich dieser Auftrag ist und wie wichtig diese Handlungen für uns Menschen sind, wird deutlich, wenn wir uns treffen und miteinander essen und trinken. Und wenn dann diese Tischgemeinschaft noch dazu genutzt wird, über die Botschaften Jesu zu reden, kann etwas ganz Besonderes entstehen.
 
Für die Arbeit vor Ort braucht es jedoch auch gewisse Rahmenbedingungen. Im Kirchenvorstand erfahre ich immer wieder das Missverhältnis zwischen den gemeindlichen Finanzmitteln und den Ausgaben auf Bistumsebene. Das ist schwer auszuhalten.
 
Besonders bezeichnend für den verfehlten Einsatz von Finanzmitteln ist für mich die durch Kardinal Woelkis forcierte millionenschwere Planung einer neuen aber völlig überflüssigen katholischen Hochschule, da es in Bonn eine funktionierende gibt. Auf Gemeinde-Ebene hingegen müssen wir sparen. Das hat in Bruder-Klaus dazu geführt, dass das Erzbistum den Pfarrsaal mit seinen Räumlichkeiten als soziales Zentrum aus Kostengründen abreißen wollte. Nur durch engagierte Menschen und einen dafür offenen Kirchenvorstand konnte es gelingen, die Trägerschaft in einen Verein zu überführen und so als Gemeinschaftszentrum zu erhalten. Wünschenswert wären andere Gewichtungen der kirchlichen Finanzen als es derzeit der Fall ist.
 
Ich habe meine Interessen und Fähigkeiten in immer wieder neuen pastoralen Projekten und Gremien eingebracht. Mein Ziel war und ist es, an einer Kirche mitzuwirken, die ihre ausgrenzenden, starren und erniedrigenden Strukturen hinter sich lässt. Ich wünsche mir eine Kirche, die ermutigt und aufbauend wirkt und damit deutlich macht, dass wir alle geliebte und freie Menschen sind. Wenn ich mich so spüre, kann ich mich und andere annehmen. Verzeihen. Schwächen nachsehen. Neuanfänge ermöglichen. Freude verbreiten.
 
Da dies leichter gesagt als getan ist, braucht es immer wieder Humor, Reflexion und Einfühlung – und ein kluges Wort aus der Bibel.
 
Text: Marie Löhrer

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