Frau Soltysyak, auf zu neuen Ufern, so heißt der Titel der aktuellen Ausgabe unseres Pfarrmagazins civitas. Schon vor langer Zeit, 1999, haben Sie sich auf den Weg zu neuen Ufern gemacht: sie sind damals aus der Ukraine nach Deutschland gekommen, aus dem einem Ort in der Nähe von Lwiw (Lemberg) nach Köln. Wie haben Sie diesen für Sie wichtigen Schritt erlebt?
Ich habe mich immer für fremde Länder, ihre Kulturen und Sprachen interessiert. Reiselust und Neugier führten mich immer wieder ins Ausland. Als Kind verbrachte ich oft die Sommerferien bei meiner Verwandtschaft in Polen.Als Journalistik-Studentin in Lwiw reiste ich hin und wieder zu „student weeks“ nach Eindhoven und Paris und wünschte mir ein Auslandstudium. Dort lernte ich viele Studenten kennen, mit manchen von Ihnen entstanden Freundschaften. Diese interkulturellen Begegnungen fand ich immer schön und wünschte mir ein Auslandstudium.
Mit 22 hatte ich mein Diplom-Journalistin in der Hand und stieg direkt beim staatlichen regionalen Fernsehen als Redakteurin und Moderatorin der Kinder- und Jugendprogramme ein. Nach zwei Jahre Arbeit beim Fernsehen, in denen ich keine einzige Reise ins Ausland gemacht habe, hatte ich wieder eine große Reiselust und zwar auf eine lange Reise. Ich war jung, weltoffen und wollte noch so viel von der Welt sehen und erleben.
Ich habe nach verschiedenen Programmen für Studenten im Ausland angeschaut und da ich aus meinen früheren Studienreisen Freunde in Köln gefunden habe, entschied ich mich für ein Zweitstudium in Köln.
Und wie war der Anfang für Sie damals?
Als ich Ende Sommer 1999 nach Köln kam, konnte ich kein Deutsch. Deswegen war meine erste Herausforderung, Deutsch zu lernen, was ich auch sehr gerne machte, denn Fremdsprache zu lernen ist eines von meinen Lieblingshobbys. Nach einem Jahr Deutschkurs, begann ich mein wissenschaftliches Studium der Philologie an der Universität zu Köln.
Am Anfang hatte ich hier nicht leicht. Ich musste alles wieder von vorne anfangen. Im Vergleich zu meinem vorherigen Leben in der Ukraine, wo ich schnell zum Erfolg kam, war ich hier ein Niemand. Ich hatte das Gefühl, als ob ich von einem hohen Berg gerutscht war und nun muss ihn wieder besteigen. So ist mein Leben: Berg rauf - Berg runter.
Ich gehe gerne neue Wege und nehme neue Herausforderungen an.
Fühlen Sie sich hier beheimatet? Wo fühlen Sie sich wohl, was ist Ihnen befremdlich? Was vermissen Sie aus Ihrer ukrainischen Heimat?
Köln ist eine sehr multikulturelle Stadt. Das spürt man in jedem seinen Vedeel und man fühlt sich nicht befremdet. Und das gefällt mir.Ich lebe gerne in dieser multikulturellen Gesellschaft. Nichtsdestotrotz habe ich ab und zu Heimweh. Ich vermisse ukrainische Schönheit und Fröhlichkeit, leckeres Essen und farbenfrohe Feste. Obwohl ich schon 22 Jahre in Köln lebe und die Stadt sehr gut kenne, so richtige Kölnerin bin ich trotzdem nicht geworden.
Sie haben viele Verwandte, Freunde und Bekannte in der Ukraine, mit denen Sie in Kontakt stehen, seitdem Sie nach Köln gekommen sind. Wie gestaltet sich dieser Kontakt, was hat sich seit Beginn des Krieges am 24. Februar durch Russland geändert?
Die Nachricht über den russischen Angriff auf die Ukraine erreichte mich am frühen Morgen und es war ein Schock für mich. Ich konnte weder essen noch schlafen noch arbeiten. Ich verfolgte Tag und Nacht die Nachrichten, rief meine Familie, Verwandte und Freunde in der Ukraine an. Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommen würde.
Die Lage in der Westukraine, wo meine Familie und Freunde wohnen, war nicht so angespannt wie in der Ostukraine. Viele Menschen aus der Ostukraine flohen in die Richtung Westukraine und suchten dort einen Schutz.
Ich habe Kontakt mit katholischer Gemeinde St. Vasylij in meinem Heimatort Kosowa/Westukraine aufgenommen um mich nach der Lage dort vor Ort zu erkundigen.
Die Kirche St. Vasylij in meinem Heimatort liegt mir sehr am Herzen. Sie wurde von 1998 bis 2000 erbaut. Ich war bei der Grundsteinlegung und habe ihr Bau unterstützt. Seit 2000 gibt es katholische Gemeinde St. Vasylij und seit dieser Zeit pflege ich gute Kontakte zur ihr.
Und in diesem Zusammenhang haben sie eine Hilfsaktion organisiert.
Meinem Heimatland zu helfen war und ist für mich nicht nur ein Herzensanliegen sondern auch eine Pflicht als Ukrainerin. Ich habe direkt die ukrainische Gemeinde St. Vasylij kontaktiert und gezielt nach benötigter Hilfe gefragt. Mit freundlicher Unterstützung ihrer Gemeinde St. Clemens und Mauritius habe ich eine Sammelaktion im Liebfrauenhaus organisiert. Und die Hilfsbereitschaft war groß. Ich möchte auch jetzt die Gelegenheit nutzen und mich bei allen Menschen, die mitgeholfen haben auch im Namen der ukrainischen Gemeinde St. Vasylij VIELEN HERZLICHEN DANK aussprechen. Ein Teil von Spenden wurde an den Soldaten am Front übergeben und ein anderer Teil an neu angekommenen Flüchtlinge aus der Ostukraine.
Sie arbeiten auch als Lehrerin für Ukrainisch in Köln. Hat sich für sie durch den Krieg in der Ukraine etwas geändert?
In Köln gibt es zurzeit 19 Sprachen, die als Herkunftssprachen unterrichtet werden. Der herkunftssprachliche Unterricht (kurz: HSU) bietet den Schülerinnen und Schülern, die mehrsprachig aufwachsen, die Möglichkeit, ihre Kenntnisse in der Herkunftssprache der Familie zu vertiefen und zu erweitern.
Seit Oktober 2021 auf Anfragen von ukrainischen Eltern wurde in Köln Ukrainisch als HSU eingeführt. Ukrainisch ist eine schöne und melodische Sprache und ich bin sehr stolz darauf, meine Muttersprache zu unterrichten.
Zurzeit gibt es keine großen Veränderungen durch Flüchtlinge im Unterricht. Manche von Ihnen wollen zunächst intensiv Deutsch lernen um sich schnell an den deutschen Schulen zu integrieren, andere nehmen noch an Online-Unterricht teil.
Ich kann mir jedoch vorstellen, dass ab nächstem Schuljahr die Situation sich ändern wird.
Die ukrainisch-katholische Gemeinde trifft sich seit vielen Jahren Sonntag für Sonntag in St. Theresia.
Ja, jeden Sonntag um 10 Uhr (außer 1. Sonntag im Monat). Und die Kirche wird immer voller. Ukrainer sind gläubige Menschen und wenn wir im Ausland leben, ist die Kirche unsere erste Anlaufstelle. Auch als ich damals nach Deutschland kam, habe ich nach ukrainischer kirchlicher Gemeinde gesucht und war sehr froh sie gefunden zu haben. Ich kenne unsere Gemeinde seit 2000, damals fanden Gottesdienste noch in der Kirche St. Gertrud statt. Seit 2014 sind wir in St. Theresia. Und wenn ich jetzt auf das Jahr 2000 zurückblicke, war unsere Gemeinde damals noch sehr klein. Heute ist sie um 10-fach größer geworden. Das gemeinsame Beten in der Kirche oder allein zu Hause, Müttergebete für Ihre Kinder, Gebete für Soldaten und für unser ganzes Land können Wunder bewirken. Die Kraft des Gebetes gibt uns die Kraft und die Hoffnung auf baldiges Frieden!
Was wünschen Sie sich von uns als Pfarrgemeinde oder MitbürgerInnen im Stadtteil?
Ich habe nur einen Wunsch, dass der Krieg in der Ukraine so schnell beendet wird und ich meine Heimat wieder besuchen kann.