Pfarrnachrichten
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Die aktuelle Diskussion zum Thema Missbrauch macht auch vor unserer Kirchengemeinde nicht halt. Kaum ein Tag vergeht, an dem wir nicht mit niederschmetternden Meldungen zu diesem Thema konfrontiert werden. 

„Da ist es keine Option, den Kopf einzuziehen und zu warten, bis der Sturm vorüberzieht. Die Pfarrgemeinde braucht eine Position und eine Haltung für den eigenen Einflussbereich." Hierzu sprechen wir mit dem leitenden Pfarrer der Kirchengemeinde, Stefan Wagner.

Interview zur Präventionsarbeit mit Stefan Wagner

Zunächst einmal vielen Dank, dass Sie für dieses Gespräch zu diesem schwierigen Thema bereitstehen.
Herr Wagner, wie erleben Sie persönlich die Gemeindemitglieder in Bezug auf die Missbrauchsdiskussion in der katholischen Kirche?
Zunächst einmal erlebe ich die Gemeindemitglieder so wie mich selber, sehr erschrocken über das, was berichtet wird. Erschrocken und betroffen über den Missbrauch und die große Zahl der Opfer von Kindern und Jugendlichen.

Die Kirchengemeinde hat ein Institutionelles Schutzkonzept (ISk) erstellt und in Kraft gesetzt. Wer hat denn daran mitgewirkt, und was können wir uns darunter vorstellen?
Der Erzbischof hat eine Präventionsordnung erlassen und die Gemeinden aufgefordert, ein Institutionelles Schutzkonzept zu schreiben und in Kraft zu setzen. Da sind wir dran. Geschrieben ist es und in Kraft gesetzt wird es, wenn die im Konzept festgeschriebenen Maßnahmen auch umgesetzt sind. Da arbeiten wir im Moment ganz konkret dran, dies zu tun. Die Leitung zur Erstellung habe ich als der zuständige verantwortliche Pfarrer an den Gemeindereferenten Wolfgang Obermann übertragen. Dieser hat, gemeinsam mit unserer Verwaltungsleiterin Birgitta Waldmann, für den Bereich der hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und Christian Höft, unseren Engagementförderer für den Bereich der Ehrenamtler, ein Team mit weiteren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gebildet, um das Konzept zu entwickeln. Die Bereiche, in denen vorwiegend mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird, wurden durch das Team erfasst. In den Einrichtungen und Gruppierungen wurde durch das Team eine Vielzahl von Gesprächen geführt, um möglichst alle Belange zu erfassen.

Wie sehen die Maßnahmen konkret aus, damit aus dem Konzept kein Papiertiger wird, der als Pflichtaufgabe abgehakt wird?
Das ist der Punkt, an dem wir zur Zeit stehen.
Die Maßnahmen, die im Konzept stehen, müssen jetzt zeitnah umzusetzen werden, damit das ISk in Kraft gesetzt werden kann. Die Maßnahmen sind breit angelegt. Es gibt Briefkästen, in denen Beschwerden bzw. Meldungen hinterlegt werden können, es wird für Beschwerden bzw. Meldungen speziell ausgebildete Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner geben, die entsprechend auch bekannt gemacht werden. Das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis ist für jeden verpflichtend, der mit Kindern und Jugendlichen arbeitet. Für den, hoffentlich nie eintretenden, Fall einer entsprechenden Meldung wird ein Notfallteam gebildet, das die entsprechenden Schritte laut ISk unverzüglich einleitet. Weitere Maßnahmen sind im ISk formuliert.

Es ist sicher nicht leicht, langgediente ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von der Sinnhaftigkeit einiger Inhalte des Konzepts zu überzeugen. Nehmen wir als Beispiel das erweiterte polizeiliche Führungszeugnis, das jetzt jeder beibringen muss. Wie gehen Sie da vor?
Zuallererst mit gutem Beispiel vorangehen. Auch wir als Pastoralteam legen dieses erweiterte Führungszeugnis vor und erneuern es alle fünf Jahre. Auch die Mitglieder des Pfarrgemeinderats und des Kirchenvorstands haben sich als ehrenamtlich Mitwirkende hierzu verpflichtet. Dann geht es um Überzeugungsarbeit. Es heißt Zeichen zu setzen, wie wichtig uns der Schutz von Kindern und Jugendlichen ist. Weiterhin wird die Präventionsarbeit auch Teil der Ausbildung von in der Gemeinde tätigen Kräften, bzw. ist es heute schon. Beispielhaft nenne ich hier die Katecheten.

Wichtig erscheint ein Klima von Offenheit und Transparenz, um zu einem vertrauensvollen Miteinander zu kommen und den uns anvertrauten Menschen eine Gemeinschaft zu bieten, die frei von Ängsten und Misstrauen ist. Ist da das Institutionelles Schutzkonzept (ISk) das geeignete Instrument? Besteht nicht die Gefahr, dass ein offenes und schönes Miteinander unter dem Beobachten und Beobachtetwerden leidet?
Das ist möglich, aber genau daran müssen wir arbeiten. Am Ende müssen wir zu einer Haltung kommen, die es uns ermöglicht frei zu denken, nur frei zu äußern und uns auch frei agieren lässt.
Also, im Grunde bieten die Inhalte des ISk eine Voraussetzung dafür, handeln zu können ohne Angst zu haben, etwas falsch zu machen.

Bieten Sie den Gemeindemitgliedern ein Forum, um die Position der Kirchengemeinde in der Präventionsarbeit zu erfahren?
Ja, damit haben wir angefangen. Mit Veröffentlichungen und auch bei der Pfarrversammlung am 8.5. dieses Jahres, wo wir der Gemeinde das ISk, jetzt wo es festgeschrieben ist, vorgestellt haben. Es wird weitere Informationsveranstaltungen geben, die wir jetzt planen. Hier nenne ich als Beispiele Elternabende zu dem Thema und Informationen auf unseren Internetseiten. Vor allem werden die Maßnahmen, die wir jetzt umsetzen, angemessen bekannt gemacht.

Wenn wir jetzt einmal in die Zukunft schauen, wo stehen wir – sagen wir einmal in fünf Jahren – bei dem Thema Missbrauch. In unserer Kirchengemeinde und in der Kirche allgemein?
Wir, und da meine ich auch mich ganz persönlich, arbeiten daran, dass die Inhalte des ISk zur Selbstverständlichkeit werden. Dass wir immer mehr zu einer Haltung kommen und dann irgendwann auch angekommen sind, die den Schutz von Kindern und Jugendlichen vor sexualisierter Gewalt vollständig verinnerlicht hat.

Was wollen Sie unseren Lesern noch mit auf den Weg geben?
Den Schutz von Kindern und Jugendlichen und den respektvolle Umgang miteinander müssen und wollen wir in unserer Gemeinde leben.

Herzlichen Dank für das Gespräch.
Dieses Interview führte Reinhard Linke

 

Fotokredit: Silke Grimm



 

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