Mittlerweile ist es ja glücklicherweise nicht mehr „exotisch“, wenn Kinder zwei Mütter haben. Erlebt ihr das auch so und welche Reaktionen erfahrt ihr denn, wenn ihr neue Kontakte knüpft?
Ja auf jeden Fall. Wir erleben oft, dass die Menschen zwar zunächst vom traditionellen Familienbild ,,Mutter, Vater, Kind(er)" ausgehen. Wenn wir allerdings erzählen, dass wir zwei Mamas sind, erleben wir eigentlich fast nie verwunderte oder gar negative Reaktionen. Für die meisten gehören Regenbogenfamilien mittlerweile zur Gesellschaft dazu, gerade in den Großstädten wie Köln.
Wenn wir neue Kontakte geknüpft haben, durften wir zum Glück nur positive Erfahrungen machen. Die meisten Menschen wirken sehr aufgeschlossen, aber oft ein wenig vorsichtig, wenn sie uns das erste Mal als Familie begegnen und kennenlernen. Vermutlich sind sie zunächst unsicher, ob sie mit ihrer Vermutung, dass wir zwei Mamas sind, richtig liegen.
Einige Menschen sind richtig begeistert von unserer Familienkonstellation und sind neugierig, wie unser Leben als Regenbogenfamilie so aussieht.
Wie ist das denn so mit den Alltagsbegegnungen?
Der Gedanke an Alltagsbegegnungen lässt uns schon ein wenig schmunzeln. Diese haben sich tatsächlich sehr verändert, seit wir eine Familie geworden sind. Alle Eltern mit Zwillingen, egal ob Regenbogenfamilie oder ,,klassische" Familie, kennen das: man erfährt eine ganz neue Aufmerksamkeit von anderen Menschen im Alltag. Wenn wir gemeinsam spazieren gehen, zieht alleine der Kinderwagen viel Aufmerksamkeit auf sich, und nicht selten werden wir darauf angesprochen. Es ist sehr amüsant zu beobachten, wie meistens der Blick erstmal am Zwillingskinderwagen hängen bleibt, um dann zu uns zu wandern. Man kommt sich manchmal vor wie ein bunter Hund, aber auch an dieser Stelle begegnen uns die allermeisten Menschen dann sogar mit einem besonders freundlichen und zustimmenden Lächeln.
Häufig sind Familien heute ja immer noch mit einer „klassischen“ Rollenverteilung besetzt. Wie sieht das denn in eurer Familie aus?
Aktuell ist es tatsächlich so, dass Britta arbeiten geht und Cynthia mit den Kindern zu Hause ist und sich zum größten Teil um den Haushalt kümmert – im Grunde also schon eine klassische Rollenverteilung. Nach Feierabend und an den Wochenenden ist Britta sehr präsent im Familienleben, am Wochenende übernehmen wir beide die anfallenden Aufgaben und Kinderbetreuung gleichermaßen ohne eine festgelegte Aufteilung.
Cynthia wird ab Juni wieder mit einer kleinen Stelle arbeiten gehen, und auch dann wird die Verteilung sicherlich zum größten Teil erstmal so bestehen bleiben.
Unser Plan sieht vor, dass Henry und Matilda ab Sommer 2024 in die KiTa gehen, und spätestens dann werden die Karten sicherlich nochmal neu gemischt. Da wir auch in unserer Beziehung keine klassische Rollenverteilung haben, sondern beide gleichermaßen ,,Frau" sind, halten wir nicht an der aktuellen Rollenverteilung fest. Wir lassen offen und flexibel auf uns zukommen, wie wir unser Familienleben dann gestalten werden.
Was ärgert euch denn am meisten, bezogen auf eure Lebenssituation?
Wirklich sehr geärgert hat uns die Tatsache, dass zwar schon vor Jahren beschlossen wurde, dass gleichgeschlechtliche Ehen vor dem Recht genauso gelten wie heterosexuelle Ehen, dieser Umstand bringt aber an vielen Stellen noch lange nicht die gleichen Rechte und Vorteile mit sich. Besonders deutlich wird dieser Unterschied rund um das Thema Familie – bei uns natürlich gerade sehr aktuell.
Das fängt schon an bei der Familienplanung. Während heterosexuelle Paare von den Krankenkassen eine finanzielle Unterstützung bei einer Kinderwunschtherapie erhalten, so mussten wir als gleichgeschlechtliches Paar die Kosten restlos selbst tragen.
Besonders ungerecht ist die Ungleichbehandlung nach der Geburt der Kinder. Während Cynthia jeden beliebigen Mann nur mit ihrer Unterschrift als rechtlichen Vater der Kinder hätte eintragen lassen können, musste Britta als Frau die Kinder adoptieren. Wir hatten den Kinderwunsch gemeinsam, sind den Weg von Anfang an zusammen gegangen, und Henry und Matilda sind in unsere Ehe hinein geboren – und trotzdem musste Britta ein volles Adoptionsverfahren durchlaufen, nur weil sie eine Frau ist. Zum Glück sind an dieser Stelle gerade Gesetzesänderungen in der Planung, so dass dieser Prozess künftigen Regenbogenfamilien erspart bleiben wird.
Die Kirche tut sich ja bekanntlich immer noch schwer mit gleichgeschlechtlichen Eltern. Spielt das für euch eine Rolle, bzw. wie geht ihr damit um?
Es ist sehr schade, dass die Kirche einen Unterschied sieht zwischen der klassischen Liebe von Mann und Frau zu der Liebe zwischen Frau und Frau / Mann und Mann. Denn eigentlich geht es doch im christlichen Glauben darum: Uneingeschränkte Liebe.
Wir persönlich haben dabei allerdings das Glück, dass die Schwerfälligkeit der Institution Kirche im Bezug auf gleichgeschlechtliche Eltern keinen Einfluss auf unser tägliches Leben hat. Viele Gemeinden im Einzelnen sind mittlerweile zum Glück sehr offen geworden was diese Thematik betrifft und bekennen sich auch öffentlich und aktiv dazu. Britta war lange in ihrer Heimatgemeinde in der katholischen Jugendarbeit tätig. Dort z. B. erlebte sie schon früh eine sehr große Offenheit und Toleranz bezüglich ihrer sexuellen Orientierung. Ein befreundeter Pfarrer freut sich bereits darauf, Henry und Matilda in naher Zukunft zu taufen.
Des weiteren haben wir unsere Kinder u.
a.in der katholischen KiTa Liebfrauen angemeldet und haben nicht das Gefühl, dass wir aufgrund unseres Familienmodells im Nachteil stehen. Wir hoffen sehr, dass auch an dieser Stelle in der Kirche in den nächsten Jahren ein Wandel stattfinden wird. Eine gewisse Veränderung und Offenheit ist ja bereits jetzt spürbar – deshalb hat es uns besonders gefreut, dass *civitas* mit diesem Interview auf uns zugekommen ist.
Hattet ihr auf eurem Weg zur Regenbogenfamilie je Zweifel oder Sorgen? Was könnt ihr aus eurer Erfahrung mit auf den Weg geben?
Traut euch und geht euren Weg! Das ist etwas, was wir jedem raten können. Wir leben zum Glück in einer Zeit, in der Abweichungen vom traditionellen Lebens- und Familienbild immer selbstverständlicher werden. Auch wir haben uns gefragt: können wir wirklich Kinder bekommen? Werden sie durch unsere Gleichgeschlechtlichkeit irgendwann Nachteile oder gar Probleme haben? Aber je mehr wir uns mit dieser Thematik auseinandergesetzt haben, desto klarer wurde uns, dass Henry und Matilda nicht im Nachteil sein würden. Eben weil es immer mehr Regenbogenfamilien gibt und diese Familienkonstellation längst keine Rarität mehr ist. Für unsere Kinder ist es das Wichtigste, dass sie von ganzem Herzen geliebt werden und sicher aufgewachsen dürfen – und das ist vollkommen unabhängig von unserem Geschlecht. Wir sind auf viel mehr positive Reaktionen von anderen Menschen gestoßen, als wir vermutet hätten und damit möchten wir allen, die eine Regenbogenfamilie gründen möchten, Mut machen. Geht offen und selbstbewusst mit eurer Lebenssituation um, damit auch die Kinder von Anfang an das Gefühl von ,,Normalität" haben und nicht mit dem Gefühl heranwachsen, irgendwie anders zu sein.
Zum Schluss meine Standardfrage: Stellt euch vor, ihr hättet drei Wünsche frei, was würdet ihr euch wünschen?
Wenn wir drei Wünsche frei hätten, würden wir uns wünschen, dass der aktuelle Wandel weiter geht und unsere Kinder wirklich so unbeschwert und vorurteilsfrei aufwachsen können, wie wir es uns gerade vorstellen. Es wäre schön, wenn Regenbogenfamilien
irgendwann so selbstverständlich in den Köpfen der Menschen sind, dass sie nicht mehr porträtiert und als etwas Besonderes /Anderes empfunden werden. Wir wünschen uns für alle künftigen Regenbogenfamilien, dass es keine Unterschiede mehr zu traditionellen Familien gibt. Es mehr Unterstützung für Familien gäbe, besonders finanzieller Natur. Z. B., dass Zwillingseltern auch doppeltes Elterngeld bekommen und grundsätzlich alle Eltern, ungeachtet des Verdienstes, die Möglichkeit hätten, dass ein Elternteil länger als ein Jahr für die Kinderbetreuung zu Hause bleiben kann. Dass unsere Kinder glücklich aufwachsen dürfen. Das ist vermutlich der Klassiker unter den Wünschen von Eltern, und auch wir möchten, dass Henry und Matilda gesund bleiben. Sie sollen auch als Erwachsene in einer friedvollen Welt das Leben leben, das sie möchten, frei von existenziellen Sorgen und Nöten.
Herzlichen Dank für das Gespräch.
Dieses Interview führte Reinhard Linke