Liebe Leserinnen, liebe Leser,
das heutige Evangelium bleibt ohne die vorausgehenden Verse unverständlich.
Jesus ist in seiner Heimatstadt Nazareth und geht am Sabbat in die Synagoge, wo er die Stelle liest: "Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, den Armen die gute Botschaft zu verkünden... [den Gefangenen die Freiheit, die Blinden zu heilen usw.]" Und dann "Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt." Bis dahin sind alle hocherfreut, aber dann wird es kritisch, denn die Leute fragen: Ist das nicht der Sohn Josefs?; anders gesagt: Den kennen wir doch schon als kleinen Jungen und jetzt meint er, er wäre etwas Besonderes? Der Prophet kann scheinbar besser dort wirken, wo ihm sein früheres Leben nicht nachhängt. Wenn er dann noch Gnade für die sog. Heiden verkündet, wird es brenzlig. Wir dürfen nicht vergessen, dass die Juden das auserwählte Volk sind (Gott hat seine Verheißung nie zurück genommen!), und damit kann sich natürlich leicht ein gewisses Anspruchsdenken verbinden, etwas platt gesagt: Wenn Gott schon Menschen heilt, dann doch bestimmt zuerst uns Juden. Gott ist aber der Gott aller Menschen, und er will das Heil für alle Menschen, und da kann niemand eine Sonderbehandlung beanspruchen, egal, wie gut oder fromm er auch leben mag.
Ihr P. Thomas