Liebe Leserinnen, liebe Leser,
die heutige Geschichte vom verlorenen Sohn lässt mich, ehrlich gesagt, immer etwas ratlos zurück.
Traditionell, und sicher nicht falsch, wird die Barmherzigkeit des Vaters hervorgehoben, eine andere, ebenfalls gute Deutung, verweist auf die sog. Heidenchristen, die nun zum Vater zurückkehren und willkommen sind, während die Judenchristen eher kritisch reagieren. Mich stellen beide Deutungen nicht zufrieden, da sie m. E. den älteren Sohn nicht genügend berücksichtigen. Es handelt sich hier offenbar um einen sehr wohlhabenden Bauernhof mit Festgewändern, Siegelring und Mastkalb. Wenn nun der ältere Sohn klagt, dass sein Vater ihm nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt hat, obwohl er ihm schon so viele Jahre dient, dann hat es Gewicht und kann nicht einfach mit Geschwisterrivalität erklärt werden, hier handelt es sich offenbar um eine sehr ungleiche Verteilung der väterlichen Liebe und Barmherzigkeit. In einer dichterischen Fortführung der Geschichte wird erzählt, wie der ältere Sohn sich noch in der Nacht aufmacht und den Hof ohne Erbteil verlässt, auf dem er offenbar nicht geschätzt wird. Genau das würde ich ihm auch empfehlen.
Ihr P. Thomas